Kaleido Ostbelgien


Identitätsentwicklung bei Jugendlichen

Die Adoleszenz, d. h. das Alter zwischen 12 und 20 Jahren, ist eine Zeit voller Veränderungen und Umbrüche. Dies betrifft die Bereiche Emotionen, Familie, soziale Gefüge und Sexualität. Die Jugendlichen müssen sich in dieser Phase in vielen Bereichen neu orientieren. Sie hinterfragen bestehende Werte und Normen der Gesellschaft und gehen in Auseinandersetzungen mit ihren Bezugspersonen hinein.

 

Wer bin ich?

Jugendliche stellen sich Fragen darüber wer sie sind und wer sie gerne sein möchten. Sie orientieren sich an Vorbildern, sind geprägt von deren Verhaltensweisen und testen diese in verschiedenen Situationen aus. 

Während des Prozesses der Identitätsentwicklung werden Jugendliche sich ihres Charakters und ihrer Bedeutung in ihrem Umfeld, aber auch in der Gesellschaft bewusst. Identität vermittelt für Jugendliche das Gefühl, losgelöst zu sein, sich ein Körperbild zu konstruieren, mit dem sie sich wohlfühlen, und als eigenständige Person in der Gesellschaft anerkannt zu werden. 

Das Selbstbild, das sich Jugendliche in der Pubertät konstruieren, wird aber auch durch die Menschen aus ihrem Umfeld beeinflusst. Dabei ist die Wahrnehmung, die das Umfeld von den Jugendlichen hat, sehr bedeutsam für deren Identitätsentwicklung. Das erklärt auch, warum der Freundeskreis oder andere wichtige Bezugspersonen so eine bedeutsame Rolle spielen.   

Zu einer gesunden Identitätsentwicklung bei Jugendlichen gehören auch das Streben nach Autonomie und die Loslösung von familiären Strukturen. Um dies umzusetzen, benötigen Jugendliche mehr Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Der Prozess der Loslösung von der Familie kann häufig auch zu Konflikten und Spannungen zwischen Jugendlichen und Eltern führen. Einerseits wünschen sich die Jugendlichen mehr Eigenständigkeit und Freiheit innerhalb der Familie, andererseits sind sie weiterhin auf der Suche nach Bindung und Unterstützung. Der Prozess der Loslösung hängt daher eng mit der Selbstentwicklung der Jugendlichen zusammen. 

Es ist ebenfalls wichtig, den kulturellen Einfluss in Bezug auf die Identitätsentwicklung zu beachten. So sind zum Beispiel die Volljährigkeit oder das Statut des „Erwachsenen“ in einigen Kulturen früher erreicht als in anderen.  

Identitätskrisen bei Jugendlichen

Unterstützt das familiäre und soziale Umfeld die Jugendlichen in ihrer Bestrebung nach eigenen Ansichten und Werten, so können sie eine stabile Identität bilden. Die Jugendlichen werden sich zu selbstbewussten Erwachsenen entwickeln, die ihre Grenzen und Fähigkeiten kennen und einschätzen können.

Erfahren Jugendliche allerdings wenig Unterstützung bei ihren Bestrebungen oder werden zu häufig darin kritisiert, können Störungen in der Identitätsentwicklung auftreten. Dies kann eine Vielzahl von Problemen zur Folge haben. Unteranderem sind die Jugendlichen nicht in ihren Werten gefestigt und sind daher abhängig von den Einstellungen und Meinungen anderer. Somit sind sie leichte Opfer für Manipulation.

Manchmal kann es auch vorkommen, dass Jugendliche gewisse Etappen ihrer Selbstentwicklung nicht bewältigen können. Zudem können sie manchmal Schwierigkeiten haben, sich in den gesellschaftlichen Rollenbildern zurecht zu finden und ihr Selbstbild zu konstruieren. In diesen Fällen spricht man von adoleszenten Krisen, die Störungen der Anpassung im Jugendalter darstellen. Diese Krisen können verschiedene Formen annehmen und durch Risikoverhalten, wie zum Beispiel Alkohol- oder Drogenkonsum, noch verschärft werden. Adoleszente Krisen können auch dann bei Jugendlichen entstehen, wenn sie ihren „Platz“ zwischen den Werten/Normen ihrer Familie oder ihres Herkunftslands und den Werten/Normen des sozialen Umfelds, indem sie alltäglich interagieren, suchen.

Treten bei Jugendlichen solche Krisen auf, ist es wichtig, die Auslöser und Konfliktsituationen genausten zu beleuchten. Um den Jugendlichen aus dieser Krise zu helfen, kann es hilfreich sein, biografische Besonderheiten zu reflektieren, das bedeutet die Beziehungen zu Gleichaltrigen oder familiären Bezugspersonen zu ergründen. In solchen Krisensituationen, in denen sich Jugendliche nicht mehr zurechtfinden und psychischem Druck ausgesetzt sind, kann es hilfreich sein, professionelle Unterstützung zu suchen (z.B. Therapeuten, Beratungsstelle wie Kaleido oder BTZ, Akteure im interkulturellen Bereich wie Info Integration, kulturelle Berater). Diese Fachleute können neue Perspektiven schaffen, Lösungsstrategien erarbeiten und den Jugendlichen so helfen, das Leben in seinem Umfeld besser zu meistern.

Wie können Eltern die Identitätsentwicklung unterstützen?

Die Identitätsentwicklung ist eine bedeutsame und herausfordernde Aufgabe für Jugendliche. Auch wenn es oftmals nicht so scheint, sind Jugendliche bei dieser Aufgabe auf die Unterstützung ihres familiären und sozialen Umfelds angewiesen.

Da der Prozess der Identitätsentwicklung nicht geradlinig verläuft, sind Schwankungen im Verhalten der Jugendlichen normal. So kann es durchaus passieren, dass Jugendliche sich an einem Tag als „erwachsen“ präsentieren aber am nächsten Tag das „schutzbedürftige kleine Kind“ sind, dass die Bindung zu seinen Eltern nicht aufgeben möchte.

Besonders in dieser Zeit ist es wichtig, dass die Eltern die Jugendlichen nicht abwerten, sondern sie in ihrer Person annehmen und wertschätzen. Dadurch können die Jugendlichen ihren eigenen Wert entwickeln und fühlen sich trotz ihres Autonomiestrebens beschützt. Nur so werden die Jugendlichen einen respektvollen Umgang mit anderen Menschen lernen.

Stellen Eltern fest, dass ihr Jugendlicher sich in einer adoleszenten Krise befindet, die einen psychischen Leidensdruck verursachen kann, ist es nötig offen mit dem Jugendlichen zu sprechen und gegebenenfalls professionelle Unterstützung in einem Beratungszentrum (z.B. Kaleido, BTZ) zu suchen.