Kaleido Ostbelgien


Gute Lernbedingungen

Für effektives Lernen können verschiedene Bedingungen als förderlich erachtet werden. Dabei kann man grob unterscheiden zwischen äußeren Bedingungen (also solchen, die eher außerhalb der Person des Kindes/Jugendlichen liegen) und inneren Bedingungen (d.h. solchen, die das Kind/der Jugendliche zumindest anteilig selbst „mitbringt“, wie z.B. Organisation, Motivation, etc. Unter äußere Bedingungen sollen hier sowohl materielle (Arbeitsplatz/Arbeitsmaterial) als auch personelle Bedingungen (Unterstützung durch Bezugspersonen) gefasst werden. In Bezug auf mache Punkte finden sich Überschneidungen, bzw. es fällt schwer, sie eindeutig entweder äußeren oder inneren Bedingungen zuzuordnen.

 

Der Arbeitsplatz/das Arbeitsmaterial

Viele Kinder und Jugendliche mit schulischen Problemen haben keinen festen Arbeitsplatz, um Aufgaben für die Schule zu erledigen; entweder weil auf dem Schreibtisch zu viel herumliegt oder ihnen kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Die Folge ist oft, dass die Hausaufgaben mal hier, mal da erledigt werden und sich keine geordnete, erfolgversprechende Arbeitsroutine entwickeln kann. Seine Aufgaben z.B. in der Küche oder im Wohnzimmer zu erledigen birgt aber oft das Risiko, man von anderen Familienmitgliedern gestört oder von den vor Ort befindlichen Gegenständen abgelenkt zu werden.

Wir empfehlen daher spätestens ab der Oberstufe der Primarschule die Einrichtung eines festen Arbeitsplatzes, an dem alle schulbezogenen Tätigkeiten (Hausaufgaben, Wiederholen von Schulstoff, Vokabeln lernen, etc.) regelmäßig verrichtet werden.

Dieser Arbeitsplatz sollte idealerweise folgende Kriterien erfüllen:

  • an einer eher ruhigen Stelle im Haus/in der Wohnung gelegen,
  • groß genug, d.h. mit ausreichend Platz, um Lernmaterialien platzieren zu können,
  • gut beleuchtet (ggfs. im Winter Tageslichtlampe, um Müdigkeit entgegenzuwirken),
  • angemessene Höhe,
  • bequemer Stuhl in der richtigen Sitzhöhe,
  • ordentlich (hierfür sollte regelmäßiges Aufräumen mit dem Kind/Jugendlichen verabredet werden),
  • keine, bzw. möglichst wenige Störungen durch andere Personen (z.B. Geschwister),
  • ablenkende Reize wie Fernseher, Musik, Computer sollten ausgeschaltet werden, das Handy außer Reichweite sein,
  • Gegenstände, die nicht zum Lernen benötigt werden (z.B. Zeitschriften, Spiele, etc.), sollten beiseite geräumt werden,
  • Arbeitsmaterial sollte ausreichend vorhanden sein, d.h. Schulbücher, Schulhefte, bzw. Farden, Stundenplan, Stifte, Lineal, Radiergummi, Tesafilm, Taschenrechner, etc. Das Lernmaterial sollte griffbereit sein, das Kind/den Jugendlichen aber nicht einengen,
  • Bei erhöhter Ablenkbarkeit durch akustische Reize evtl. Kopfhörer verwenden.

Unterstützung durch Bezugspersonen

Fast alle Kinder können gerade zu Beginn ihrer „Lernkarriere“ Unterstützung gebrauchen. Eltern/Bezugspersonen tun entsprechend in der Regel gut daran, ihre Kinder z.B. beim Einrichten eines Arbeitsplatzes zu unterstützen und geeignete Vorschläge zu machen.

Lernorganisatorische und planerische Fähigkeiten sind aber natürlich von Mensch zu Mensch, bzw. von Kind zu Kind verschieden. Wo der eine nahezu „von selbst“ in den Schulalltag und die damit verbundenen Aufgaben hineinwächst benötigt der andere mehr Begleitung.

Gute innerfamiliäre Beziehungen wirken sich in der Regel günstig auf die Lernmotivation und den Lernerfolg aus. Wenn die Kinder/Jugendlichen die elterliche Begleitung als Unterstützung und weniger als Kontrolle/Misstrauen wahrnehmen können ist ein wichtiger Grundstein für ein positives Lernklima gelegt. Dies gelingt in der Regel leichter in Form von Absprachen mit dem Kind/Jugendlichen über die Form der Unterstützung (z.B. Anwesenheit eines Elternteils bei der Erledigung der Hausaufgaben oder „nur“ Vorzeigen des fertigen Resultats, etc.) als darin, etwas über dessen Kopf hinweg zu „verordnen“.

Bei manchen Kindern/Jugendlichen mit schulischen Schwierigkeiten verstecken sich hinter den vermeintlichen Lernschwächen ungelöste emotionale Probleme. Sie haben buchstäblich „den Kopf nicht frei“ zum Lernen. Ein verständnisvolles Zuhören vonseiten der Bezugspersonen kann da manchmal wahre Wunder bewirken oder zumindest Türen öffnen.

In manchen Fällen kann es das Familienklima deutlich entlasten, eine außenstehende Person (Nachhilfe o.ä.) in Lernaufgaben miteinzubeziehen. Zum einen da die Eltern/Bezugspersonen zeitlich und fachlich entlastet werden, und zum anderen da oftmals den Kindern/Jugendlichen und der außenstehenden Person im Umgang miteinander ein weniger emotionaler Umgang mit möglichen Lern- und/oder Motivationsschwierigkeiten gelingt als es mit den Eltern der Fall ist und so innerfamiliäre Konflikte vermieden werden können.

Positive Verstärkung von Lernbemühungen im Sinne von Lob und ggfs. (in größeren zeitlichen Abständen) einer kleinen Belohnung zeigen langfristig tendenziell bessere Erfolge als die Androhung von Strafe, für den Fall, dass das Kind/der Jugendliche nicht ausreichend gelernt hat. Allerdings sollte vermieden werden, dass Lernen nur in Aussicht auf eine positive Verstärkung erfolgt. Insgesamt empfiehlt es sich in vielen Fällen, weniger das Ergebnis des Lernens (also die resultierende Note) zu würdigen als vielmehr die Energie, die das Kind/der Jugendliche in seine Lernbemühungen investiert hat.

Organisation

Viele Kinder/Jugendliche und zum Teil auch die Eltern fühlen sich durch die schulischen Anforderungen überfordert bis hin zu dem Gefühl, vor einem riesigen, unüberwindbaren Berghang zu stehen.

Insbesondere in solchen Fällen, aber auch allgemein empfiehlt es sich, Aufgaben in einzelne Zwischenschritte zu unterteilen. Dadurch fällt es leichter, einen Überblick zu behalten, einen Einstieg die jeweiligen Aufgaben zu finden und konkrete Schritte zu planen und umzusetzen.

Um z.B. die Hausaufgaben erledigen zu können muss man u.a.: Zu Hause noch wissen, was man aufhat, alle Arbeitsmaterialien dabei haben, die man braucht, Zeit haben, etc..

Für jeden dieser kleinen Einzelschritte kann man sich überlegen, wie man ihn meistern kann (z.B.: Tagebuch ordentlich führen, spätestens nach der letzten Schulstunde überlegen, was man zu Hause braucht und dies einpacken, sich einen Überblick über feste Termine in der Woche verschaffen, sich eine feste Hausaufgabenzeit einrichten, etc..). Auch wenn ein solches Vorgehen zunächst kompliziert klingt kann es in manchen Fällen schon nach kurzer Zeit vieles erleichtern.

Weitere Faktoren

Um für ein effektives Lernen gut zu „Funktionieren“ sollten unser Körper/unser Gehirn natürlich vorzugsweise in Topform sein. Faktoren wie Schlaf, Ernährung und Bewegung spielen dabei eine wichtige Rolle.

Schlaf/Tagesstruktur

Wir empfehlen, auf eine ausreichende nächtliche Schlafdauer, eine regelmäßige Schlafenszeit in der Schulwoche, ggfs. ein Einschlafritual, frische Luft und kuschelige Bettwäsche zum Wohlfühlen zu achten.

Und für die Größeren: Natürlich kann es vor einem großen Test oder einer Prüfung mal etwas später werden, weil man noch etwas zu Ende lernen möchte, was man noch nicht geschafft hat. Aber: übertreibt es nicht!! Morgens todmüde zu starten hilft meist nicht.

Während des Schlafens werden Lerninhalte vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen, zusammengefasst und neu verknüpft. Wer in einer Lernphase nicht ausreichend schläft (im Minimum ca. 6 - 8 Stunden pro Nacht), muss Lerninhalte häufiger wiederholen, ist unkonzentriert und unaufmerksam.

Für viele Menschen hat es sich bewährt, Schlaf- und Lernort räumlich voneinander getrennt zu halten, um nach dem Lernen möglichst gut „abschalten“ zu können. Auf Computerspielen und anstrengende Filme sollte man nach dem Lernen allerdings verzichten, da diese zu viel Gedächtnisleistung beanspruchen, die für das Verarbeiten der Informationen benötigt wird.

Und tagsüber: Natürlich verläuft nicht jeder Tag gleich. Dennoch kann es sinnvoll sein, alltäglichen Abläufen eine gewisse Regelhaftigkeit zu verleihen. Eine „Hausaufgabenzeit“ an den normalen Schultagen erleichtert vielen Kindern/Jugendlichen den Einstieg. Jedoch sollte diese nicht zu lang bemessen sein und auch noch genügend Raum für Freizeitaktivitäten lassen.


Ernährung

Das Gehirn eines gesunden Menschen beansprucht rund die Hälfte der mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate und unter Belastung sogar bis zu 90% des verfügbaren Blutzuckers. Da das Gehirn keinen eigenen Energiespeicher besitzt, sondern seine Energie nur aktiv aus dem Körper entziehen kann, setzt ein erfolgreicher Lernprozess die ausreichende Sättigung mit Kohlenhydraten bzw. Mehrfachzucker voraus. In Lernphasen sollte man daher zu Nahrungsmitteln mit einem hohen Anteil an Mehrfachzuckern greifen. Da dieser erst im Darm zerlegt werden muss und damit langsam und stetig in die Blutbahn gelangt, wird das Gehirn längere Zeit konstant mit Zucker versorgt und kann Aufmerksamkeit und Konzentation auf einem hohen Level halten. Zu Nahrungsmitteln mit hohem Anteil an Mehrfachzuckern gehören Obst, Rohkost, Kartoffeln und Vollkornprodukte.

Auch das Trinken spielt eine wichtige Rolle im Lernprozess. Trinkt der Lernende zu wenig, verdickt sich das Blut und verringert dadurch die Sauerstoffversorgung des Gehirns. Während des Lernens sollte man also darauf achten, ausreichend Wasser, Tee oder Saftschorlen zu trinken. Ideal ist eine Flüssigkeitsmenge von 1,5 bis 2 Litern pro Tag.

Bewegung

Um im Allgemeinen die Leistungen zu fördern gehören Sport und Bewegung zu einem aktiven Leben dazu. Ein gesunder Geist wird durch einen gesunden Körper positiv beeinflusst und eher zu Höchstleistungen getrieben.

Durch sportliche Betätigung wird das Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt. Die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu und der Aufenthalt an der frischen Luft hebt die Stimmung. 

Kindern und Jugendlichen hilft die Bewegung auch dabei, überschüssige Energie loszuwerden. Während der Schulzeit müssen sie eine lange Zeit ruhig sitzen. Daher sollte es direkt nach der Schule erlaubt sein, sich auszutoben. Danach wurde der Bewegungsdrang gestillt und die Chancen, sich auf die Hausarbeiten fokussieren zu können, steigen.

 

Dieser Artikel greift nur einige Aspekte auf und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei ausgeprägten Lernschwierigkeiten ist die jeweilige individuelle Situation des Kindes/Jugendlichen in seinem sozialen Umfeld zu berücksichtigen, zu der zahlreiche weitere Faktoren beitragen können. Fragen hierzu können bei Bedarf und nach Terminabsprache mit den MitarbeiterInnen von Kaleido vertraulich und unverbindlich besprochen werden.

Links

Literaturangaben

Looser, D., 2011, Soziale Beziehungen und Leistungsmotivation. Die Bedeutung von Bezugspersonen für die längerfristige Aufrechterhaltung der Lern- und Leistungsmotivation, Budrich UniPress, Opladen, Online (zugegriffen am 24.05.2022)


Walter et al., 2007, Grundlagen der Selbstmanagementtherapie bei Jugendlichen, Hogrefe, Göttingen