Kaleido Ostbelgien


Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Die Kindheit und die Jugend sind bedeutende Lebensabschnitte im Leben eines jeden Menschen. Erlebnisse, die in dieser Zeit gemacht werden, sind prägend für die weitere Entwicklung. Die meisten Menschen, die an Kindheit oder Jugend denken, stellen sie darunter eine glückliche und unbeschwerte Zeit vor, die von Geborgenheit, Zuneigung und positiven Erfahrungen geprägt ist.

 

Opfer von Gewalt

Leider ist dies nicht immer der Fall und so bleibt diese Vorstellung für manche Kinder und Jugendliche nur eine Wunschvorstellung. Nicht selten machen Kinder und Jugendliche bereits in ihrer Kindheit negative und traumatische Erfahrungen, deren Spuren häufig bis ins spätere Leben noch erkennbar sind.

Gewalt, ob körperlicher, psychischer, emotionaler oder sexueller Natur, gehört zu solchen traumatischen Erfahrungen und ist eine ernstzunehmende und allgegenwärtige Problematik. Daher ist es wichtig, das Leid der Betroffenen anzuerkennen, über die möglichen psychischen Folgen aufzuklären und sich über die Entwicklung und Zukunft von Kindern und Jugendlichen Gedanken zu machen, die Opfer von Gewalt geworden sind.

Körperliche Gewalt

„Körperliche Misshandlung liegt vor, wenn durch körperliche Gewaltanwendung Kindern/Jugendlichen ernsthafte, vorübergehende und/oder bleibende Verletzungen oder der Tod zugefügt werden. Von Kindesmisshandlung spricht man, wenn gewalttätiges Verhalten der Eltern oder anderer erziehender Personen ein Grundelement der Kindeserziehung ist.“ (Jungjohann, 1993, S.242pp) .

Anzeichen zur Früherkennung von körperlicher Gewalt

Es gibt verschiedene Anzeichen, die auf das Vorhandensein von körperlicher Gewalt hinweisen können. Offensichtliche äußerliche Verletzungen oder Gesundheitsschädigungen gelten als Anzeichen für körperlicher Gewalt. Dazu gehören blaue Flecken, Gehirnerschütterung, Knochenbrüche, Hautabschürfungen, Blutunterlaufungen im Halsbereich (z.B: Würgemale), Brandwunden/Verbrennungen, altersunspezifische Verletzungen (z.B: Knochenbrüche bei Säuglingen), untypische Lokalisation für unfallbedingte Verletzungen oder Mehrfachverletzungen. Zudem können ausgeprägte und nicht genetisch erklärbare Entwicklungsverzögerungen des Kindes auf körperliche Gewalt hindeuten.

Darüber hinaus können plötzlich auftauchende Verhaltensänderungen- oder Auffälligkeiten bei den betroffenen Kindern oder Jugendlichen Anzeichen für körperliche Gewalt sein. Dazu gehören beispielsweise Abwehrverhalten bei körperlicher Berührung, aggressives Verhalten im Spiel, Scheu vor Entkleidung im schulischen Umfeld oder Schonhaltung.

Psychische oder emotionale Gewalt

„Zur psychischen/emotionalen Misshandlung gehört zum einen das Terrorisieren oder Angstmachen, zum Beispiel über Androhungen nach Hause zu kommen oder kein Essen zu erhalten. Zum anderen beinhaltet psychische/emotionale Misshandlung eine feindliche oder abweisende, ablehnende oder ignorierende Verhaltensweise von Erwachsenen gegenüber einem Kind oder Jugendlichen. Der Tatbestand der Misshandlung ist erfüllt, wenn ein solches Verhalten zum festen Bestandteil der Erziehung gehört. Die grundliegende Form der emotionalen Gewalt besteht im Ignorieren des Kindes oder Jugendlichen. In diesem Fall findet zwar keine aktive Ablehnung statt, aber das Kind oder der Jugendliche wird von allen Informationen seitens der Erwachsenen isoliert.“ (Jungjohann, 1993, S.244pp) .

Weitere Beispiele für psychische/emotionale Gewalt sind Liebesentzug, das Versagen von Zuneigung, emotionale Erpressung, Ablehnung, soziale Isolation oder Vernachlässigung (z.B: körperliche Pflege, Ernährung, emotionale Reaktionen).

Anzeichen zur Früherkennung von psychischer oder emotionaler Gewalt

Die Anzeichen, die auf psychische Gewalt an Kindern und Jugendlichen hindeuten, sind meist nicht so leicht identifizierbar, da keine äußerlichen Verletzungen vorhanden sind. Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsstörungen sind häufig die Folge einer emotionalen Vernachlässigung. Weitere Beispiele für psychische Gewalt sind untypisches Verhalten trotz gewohnten Umfelds, Appetitmangel, Gewichtsverlust, mangelnde Pflege oder vermehrtes und unangemessenes Bedürfnis nach körperlicher Nähe.

Sexueller Missbrauch

„Sexueller Missbrauch ist definiert als Ausbeutung der körperlichen, emotionalen und entwicklungsbedingten Abhängigkeiten eines Kindes oder Jugendlichen durch sexuelle Handlungen Erwachsener zur sexuellen Befriedigung des Missbrauchenden. Die gegebenen Abhängigkeiten machen eine überlegte Zustimmung des Kindes unmöglich und die Verantwortung trägt in jedem Fall der Täter. Sexueller Missbrauch beginnt beim Exhibitionismus oder dem Darbieten von Pornographie und geht über das Berühren der genitalen, analen oder oralen Penetration und weiteren Perversionsformen bis zum ritualisierten Missbrauch.“ (Jungjohann, 1993, S.246pp) .

Jedoch ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass all diese Anzeichen, ob in Form von Verhaltensauffälligkeiten oder körperlichen Symptomen, zwar Anzeichen für körperliche oder psychische Gewalt an Kindern oder Jugendlichen sein können, aber nicht unbedingt sein müssen. Manchmal können diese Anzeichen auch andere Ursachen haben. Die Bezugspersonen mit voreiligen Vermutungen zu konfrontieren ist daher nicht ratsam und dient meist nicht dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen.

Ursachen für Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Laut Fachleuten ist Kindesmisshandlung, sei es in Form von körperlicher, psychischer/emotionaler oder sexueller Gewalt, häufig eine Verhaltensweise von Erwachsenen, die in ihrer Kindheit selbst Gewalt erfahren haben. Erwachsene, die in ihrer Kindheit Opfer von Gewalt gewesen sind, setzten diese Verhaltensweise, trotz ihres Vorsatzes, die eigenen Kinder anders zu behandeln, häufig fort. Gewalt ist häufig ein Indiz für gestörte familiäre Beziehungen, die über mehrere Generationen andauern und weitergeführt werden. Somit wird Gewalt zu einem grundliegenden Verhaltensmuster der Erziehung.

Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist oftmals der Ausdruck von Unfähigkeit der Erwachsenen, innere Konflikte und Spannungen zu ertragen. Ein Zustand der Überforderung und Überlastung bei der Kindeserziehung kann ebenfalls als Ursache für Gewalt an Kindern und Jugendlichen betrachtet werden. Der Erwachsene ist unfähig eine andere Handlungsmöglichkeit zu finden und reagiert daraufhin mit Gewalt an seinem Kind oder Jugendlichen.

Auswirkungen von Gewalt 

Wenn Kinder oder Jugendliche direkt oder indirekt Gewalt erleben, hat dies immer Auswirkungen auf deren Entwicklung. Direkte Gewalt erleben, das bedeutet Opfer von Gewalt zu sein, hat nicht nur körperliche Auswirkungen, sondern kann auch massive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit (z.B: Persönlichkeitsstörungen, Depression, Post-traumatische Belastungsstörung) eines Kindes oder Jugendlichen haben. Gewalt erfahren gilt als traumatisches Erlebnis und bedeutet einen Eingriff in die eigene Sicherheit. Oftmals sind die Auswirkungen gravierender, wenn die Gewalt von Erwachsenen aus dem nahen Umfeld verübt wird.

Das Erleben von Gewalt kann unmittelbare Reaktionen bei Kindern und Jugendlichen hervorrufen. Dazu gehören Schockreaktionen, Angst, Panik, Verwirrtheit oder Nichtansprechbarkeit. Zu den mittel- und langfristigen Auswirkungen von Gewalt zählen Rückzug, Isolation, Schlafstörungen, geringes Selbstbewusstsein/Selbstwertgefühl, Abwehr von Zuwendung, Gewaltverhalten oder Aggressivität und selbstschädigendes Verhalten (z.B: Essstörungen, Drogenmissbrauch, Selbstverletzung). Zu den dauerhaften Schädigungen, die durch wiederholtes Erleben von Gewalt entstehen, zählen psychosomatisches Leiden, Selbstverachtung, Suizidgefahr, Ablehnung sozialer Beziehungen, Wiederholung erlebter Beziehungsmuster oder Bindungsangst.

Hilfe bei Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein ernstzunehmendes Thema, bei dem ein Eingreifen notwendig ist. Jedoch sollten Bezugspersonen im Umfeld eines Kindes oder Jugendlichen, die Gewalt vermuten nicht voreilig handeln. Zunächst ist es wichtig, die Situation zu beobachten, auf verschiedene Anzeichen (z.B: körperliche Verletzungen, Verhaltensauffälligkeiten, verbale Anmerkungen des Kindes) zu achten und die Informationen zu sammeln. Erhärtet sich der Verdacht, dass Gewalt vorliegt, so sollte Hilfe bei Fachleuten (z.B: Kaleido-Ostbelgien, Kinderpsychologen, Jugendhilfedienst) gesucht werden. Die mutmaßlichen Täter mit Vermutungen oder Anschuldigungen zu konfrontieren kann gefährlich sein und dient meist nicht dem Kindeswohl. 

 

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