Kaleido Ostbelgien


Suizidalität bei Jugendlichen

Die Adoleszenz ist eine herausfordernde und schwierige Lebensphase, in der Jugendliche mit vielen Veränderungen, Stimmungsschwankungen und Krisen zurechtkommen müssen. Der Umgang mit all diesen neuen Komponenten ist nicht immer leicht und für viele Jugendliche mit einem enormen Leidensdruck verbunden. Wenn es Jugendlichen nicht gelingt mit diesen Veränderungen und Anforderungen umzugehen, können Gedanken über den Tod als möglichen „Ausweg“ entstehen.

 

Auch wenn die Äußerung von Suizidideen oder eine mögliche Suizidankündigung in diesem Alter oftmals eher als ein Hilfeschrei oder ein Wunsch nach Zuwendung zu verstehen ist, sollten die Bezugspersonen die geäußerten Suizidideen- oder Ankündigungen ernst nehmen und dem Jugendlichen entsprechende Hilfe anbieten.  

Was bedeutet Suizidalität?

Suizidalität umfasst alle Denk- und Verhaltensweisen eines Menschen den eigenen Tod herbeizuführen oder in Kauf zu nehmen. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Begriffen:

Suizid: Selbsttötung eines Menschen


Suizidversuch: alle vorbereiteten und durchgeführten Handlungen, die mit dem Wissen und dem Ziel durchgeführt wurden, sich das Leben zu nehmen


Suizidideen: Gedanken an Tod und Sterben sowie die Vorstellung über Möglichkeiten der Selbsttötung

Viele Menschen haben im Laufe ihres Lebens schon einmal über die Möglichkeit eines Suizids nachgedacht oder einen Todeswunsch verspürt. In den meisten Fällen geschieht dies jedoch ohne die konkrete Absicht sich das Leben zu nehmen oder das Vorhandensein von Plänen.

Wenn eine Person aber häufig und dauerhaft Suizidideen äußert, ist es wahrscheinlich, dass schon konkrete Pläne zur Selbsttötung vorliegen.

Ursachen für Suizidalität

Die Ursachen für einen Suizidversuch oder einen vollendeten Suizid können sehr variabel sein. Fachleute sind der Meinung, dass Suizidalität von mehreren Faktoren beeinflusst wird. Dazu gehören genetische/biologische Faktoren, psychosoziale Faktoren (z.B.: Einsamkeit, das Gefühl den Mitmenschen zur Last zu fallen) und gesellschaftliche Faktoren (z.B.: fehlende Integration im sozialen Umfeld, Schwierigkeit seinen Platz in der Gesellschaft zu finden). Zudem können traumatisierende Erlebnisse, wie beispielsweise der Tod einer Bezugsperson, körperliches Leiden oder eine chronische Erkrankung, dazu führen, dass eine Person über Suizid nachdenkt.

Risikofaktoren

Unter Risikofaktoren versteht man diverse Faktoren, die laut Studien im Zusammenhang mit Suizidalität stehen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass das Vorhandensein von Risikofaktoren keine exakte Vorhersage für einen Suizidversuch ist. Demnach bedeutet es nicht, dass eine Person, bei der mehrere Risikofaktoren vorliegen, sich das Leben nehmen wird, sondern lediglich, dass für diese Person ein höheres Risiko besteht als für eine Person mit weniger Risikofaktoren.

Einige Beispiele von allgemeinen Risikofaktoren sind:

  • Psychische Erkrankungen (z.B.: Persönlichkeitsstörungen oder Depression)
  • Chronische Erkrankungen oder Schmerzen
  • Soziale Isolation oder mangelnde Unterstützung aus dem Umfeld
  • Zugang zu tödlichen Mitteln und Methoden
  • Suizide im familiären Umfeld
  • Traumatisierende Erlebnisse in der Kindheit (z.B.: Gewalt oder Missbrauch)
  • Arbeitslosigkeit oder finanzielle Probleme
  • Alkohol- oder Drogenkonsum
  • Impulsive oder aggressive Persönlichkeitsbilder
  • Beziehungskonflikte

Kinder und Jugendliche, die an einer psychischen Krankheit (z.B. Depression, Angststörung, Schlafstörungen) leiden, weisen ein erhöhtes Suizidrisiko auf. Aber auch psychosoziale Faktoren, wie Mobbingerfahrungen oder wiederholte negative Erlebnisse (z.B. Missbrauch, Gewalt) im familiären Umfeld, können Risikofaktoren für einen Suizid darstellen. Substanzabusus, soziale Isolation, hoher elterliche Druck oder das Gefühl, den familiären/sozialen Erwartungen nicht entsprechen zu können, können weitere Risikofaktoren sein.

In manchen Fällen benutzen Jugendliche die Äußerung von Suizidgedanken oder Suizidversuche, um ihr Umfeld zu manipulieren oder zu bestrafen. Dadurch nimmt der Jugendliche eine gewisse Machtposition ein und kann Druck auf sein Umfeld ausüben, um mögliche Ziele zu erreichen.

Suizidversuche treten häufiger bei Jugendlichen als bei Kindern auf, da diese mehr Zugang zu Substanzen oder Waffen haben. Sie sind planungsfähiger und zeigen weniger Unsicherheit in der Durchführung ihrer Suizidpläne. Zudem befinden sie sich in einer kritischen und emotional turbulenten Lebensphase, die häufig affektive oder psychische Störungen mit sich bringt. 

Schützende Faktoren

Studien haben ergeben, dass einige Faktoren als schützend bezeichnet werden können. Das bedeutet, dass Personen, bei denen einige dieser schützenden Faktoren vorhanden sind, ein geringeres Risiko für Suizidalität aufweisen als Personen, bei denen diese Faktoren nicht vorhanden sind.

Einige Beispiele für schützende Faktoren sind:

  • Ein gesundes, wohlwollendes und beschützendes familiäres und soziales Umfeld
  • Zugang zu Gesundheitsversorgung, Unterstützung und Hilfsangeboten
  • Vorhandensein von Bewältigungsstrategien (z.B.: guter Umgang mit belastenden Lebenssituationen, Stressbewältigung)
  • Emotionale Stabilität
  • Ein positives und stabiles Selbstwertgefühl

Ähnlich wie bei den Risikofaktoren muss hier beachtet werden, dass das Vorhandensein von schützenden Faktoren einen Suizid nicht ausschließt oder verhindert. Diese Faktoren helfen Personen lediglich mit belastenden Situationen besser umzugehen. 

Warnsignale und Anzeichen

Einem Suizidversuch oder einem vollendeten Suizid gehen in den meisten Fällen diverse Anzeichen voraus. Es ist wichtig, dass das Umfeld achtsam ist und diese Warnsignale und Anzeichen frühzeitig wahrnimmt, damit dem Betroffenen die notwendige Hilfe zukommen gelassen werden kann.

Zu den Warnsignalen und Anzeichen gehören zum einen verbale Äußerungen, wie beispielsweise Todeswünsche, Beschäftigung mit dem Tod und Sterben, Ausdruck von Ängsten oder tiefe Hoffnungslosigkeit. Zum anderen zeigen sich diese Anzeichen durch plötzliche Verhaltensänderungen, wie beispielsweise Interessensverlust für Aktivitäten oder soziale Kontakte, emotionaler Rückzug, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Appetitverlust, Risikoverhalten (z.B.: unvorsichtiges Autofahren, erhöhter Alkohol- oder Drogenkonsum), körperliche Vernachlässigung. Auch die aktive Informationssuche über Sterbemittel- und Methoden und das Abschließen mit dem Leben (z.B.: Verschenken persönlicher Dinge, persönliche Angelegenheiten regeln) zählen zu ernst zu nehmenden Warnsignalen.

Ein belastendes oder traumatisches Lebensereignis kann auch dazu beitragen, dass eine Person Suizidideen entwickelt und sich verstärkt mit dem Thema Tod und Sterben auseinandersetzt. Zu solchen Lebensereignissen zählen der Verlust einer nahestehenden Person, eine chronische Erkrankung, Streit oder Konflikte im sozialen Umfeld oder eine veränderte Lebenssituation (z.B.: Arbeitslosigkeit).

Wie können Angehörige oder Freunde helfen?

Jeder Suizidversuch ist eine ernst zu nehmende Situation, die eine gut überlegte, Intervention erfordert. In erster Linie ist es wichtig, dass Selbstgefährdungsrisiko abzuschätzen.

Im Falle einer unmittelbaren Lebensbedrohung, also einer akuten Suizidalität, ist eine Krisenintervention in Form einer Krankenhauseinweisung erforderlich. Wenn Bezugspersonen mit einem Jugendlichen konfrontiert sind, der eine akute Suizidalität aufweist oder einen Suizidversuch verübt hat, ist es nötig rechtzeitig Helfer zu kontaktieren (z.B. Notärzte, Polizei, Psychotherapeuten). Vor allem ist es wichtig, den suizidalen Jugendlichen nicht allein zu lassen. Um den Erregungszustand des Jugendlichen zu vermindern und die Situation zu stabilisieren können die Bezugspersonen versuchen durch beruhigendes und durchdachtes Zusprechen (z.B. das Gespräch auf andere Themen lenken, Nachfragen, Zuhören ohne zu werten) auf den Jugendlichen einzuwirken.

Äußert der Jugendliche vermehrt Suizidideen, aber präsentiert noch keinen konkreten Suizidplan, ist wichtig, dass der Jugendliche sich mit seinen Gefühlen und Äußerungen ernst genommen fühlt. Bezugspersonen sollten dem Jugendlichen zuhören und Gesprächsbereitschaft signalisieren. Oft kann ein offenes Gespräch entlastend wirken, die Suizidideen und den Leidensdruck verringen und der betroffenen Person möglicherweise eine neue Perspektive aufzeigen. Wenn dies nicht ausreicht oder die Bezugspersonen sich mit dieser Aufgabe überfordert fühlen, sollten sie Unterstützung bei Fachleuten (z.B. Therapeuten, Beratungsstelle wie Kaleido Ostbelgien) zu suchen. In diesem Fall kann eine ambulante Psychotherapie angeraten werden, um gemeinsam mit dem Jugendlichen zu überlegen, was die Hintergründe seiner Suizidideen sind und Auswegs Möglichkeiten zu entwickeln.  Zudem können Fachleute dem Jugendlichen helfen seine Gefühle zu ordnen, mit seinen Schwierigkeiten oder mit seinem psychischen Leiden besser umzugehen. Wenn die Hintergründe der Suizidideen abgeklärt sind, ist es notwendig, dass Fachleute und Bezugspersonen gemeinsam mit dem Jugendlichen nach konstruktiven Lösungen zu suchen.

Literaturangaben

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) et al. (2016), Leitlinie Suizidalität im Kindes- und Jugendalter, 4. überarb. Version, Online (zugegriffen am 30.03.2021)


Stiftung Deutsche Depressionshilfe (2016), Suizidprävention: eine globale Herausforderung; Online (zugegriffen am 30.03.2021)